Argentinien
Entweder mit der US Botschaft oder mit den Arbeitern von Kraft Foods!
13/11/2009
Erstellt aus einem Artikel von Manolo Romano y Ruth Werner, 11. Juni 2009
In Argentinien versucht sich heute das multinationale Unternehmen Kraft Foods (Kraft Terrabusi) durch repressive Maßnahmen für den Aufstand seiner ArbeiterInnen zu rächen, der sich im Juli mit Forderungen für bessere sanitäre Bedingungen aufgrund des Höhepunktes der „Schweinegrippe“ – Pandemie in Argentinien formierte und die Fabriken für eine Woche still legte.
Die Antwort der Fabrikleitung war die Entlassung von 150 Arbeitern. Die Arbeiter besetzten daraufhin die Fabrik und stoppten die Produktion 38 Tage lang. Am 25. September räumte die Polizei das Gelände gewaltsam. Das Fabrikgebäude befand sich seitdem in einem militarisierten Zustand, die Polizei agierte als bewaffnete rechte Hand der Unternehmensführung von Kraft Foods Corporation.
Neben den Straßenblockaden und Protestaktionen der Arbeiter von Kraft, die auf die tatkräftige Unterstützung der Studenten der verschiedenen Fakultäten von Buenos Aires zählen konnten, begann auch der Kampf in den Gerichten. Dabei haben die Arbeiter von Zanon den Arbeitern von Kraft neben den Beiträgen für die Streikkasse auch ihren Anwalt zur Verfügung gestellt. Aufgrund der Entschlossenheit für die Wiedereinstellung aller Entlassenen hat das Unternehmen immer weiter nachgegeben, wobei sie ständig versuchten, die Basisdelegierten durch verschiedene Manöver auseinanderzubringen. Zuerst wurden 30 Entlassene wiedereingestellt. Danach weitere 40. Als Gegenleistung verlangte das Unternehmen eine Friedenszeit von zwei Monaten und den Verzicht auf jegliche gewerkschaftliche und politische Aktivität in der Werksanlage. Beim Redaktionsschluss verbleiben von den ursprünglichen 160 Ausgesperrten und Entlassenen immer noch 53 Arbeiter auf der Straße.
Der Streik bei Kraft-Terrabusi: Ein Wendepunkt im Verhältnis von Kapital und Arbeit
Der Streik bei Kraft-Terrabusi stellt einen Wendepunkt dar: Jetzt geht es nicht mehr nur um die Streitigkeiten zwischen verschiedenen Sektoren der herrschenden Klasse, sondern auch um das Betreten der politischen Arena durch die Arbeiterklasse. Sie nutzt die Unstimmigkeiten innerhalb der herrschenden Klasse, um für ihre Interessen einzutreten. Dieser Kampf wird jetzt schon ein historischer Meilenstein sein, da er sogar die Einmischung der US-Botschaft in den Konflikt verursacht hat.
Ein neuer Akteur hat die politische Bühne betreten: Die Arbeiterklasse. Dies ist das Ergebnis eines Prozesses, der Ende vergangenen Jahres angefangen hat und aufgrund der Schwächung der Regierung bei den Wahlen verstärkt wurde. Teil dieses Prozesses sind die Kämpfe defensiven Charakters in der Autoindustrie von Cordoba und Santa Fe bei IVECO, Renault, Volkswagen und General Motors, die Ende August 2008 und im Sommer (auf der Südhalbkugel) 2009 stattfanden, bis hin zum jüngsten Streik der Erdölarbeiter von Santa Cruz, der Streik der Metallarbeitergewerkschaft, UOM, die sogar kleine Metallunternehmen umfasste, und die Lohnaufstände großer Eisenindustrieunternehmen wie Siderca de Campana. Auch die Staatsangestellten und Lehrer in mehreren Provinzen gingen auf die Straße, angefangen beim Aufstand der städtischen Angestellten von Córdoba bis hin zum noch laufenden eindrucksvollen Streik der Arbeiter im Gesundheitswesen in Tucumán.
Der Grund für die großen Auswirkungen der Aktionen der Arbeiter von Terrabusi, die mehrere Wochen lang andauerten und Solidaritätsaktionen verschiedener Sektoren hervorriefen, liegt aber in der Tatsache, dass die Lohnabhängigen jener Industriezweige in den Kampf gezogen sind, die neben der Autoindustrie (in Argentinien) zu den dynamischsten zählen: Die Nahrungsmittelindustrie. Die Bedeutung des Kampfes bei Terrabusi liegt darin, dass er einen multinationalen Monopolisten wie Kraft Foods betrifft.
Der Streik von Terrabusi hat eindrucksvoll gezeigt, dass diejenigen, die die wichtigsten Hebel der nationalen Produktion in ihren Händen halten, die Gerichte, Polizei, Regierungsfunktionäre und Gewerkschaftsbürokraten seit vielen Jahren hinter sich haben. Außerdem hat die Repression vom 25. September innerhalb der Regierung tiefe Wunden verursacht sowie die Beziehungen zwischen der Regierung und der Arbeiterklasse stark ramponiert. Die Fernsehbilder einer gegen einen Arbeiterstreik vorgehenden berittenen Polizei haben sich bei Millionen eingebrannt. Das Ehepaar Kirchner und der Gouverneur Scioli, die in ihrer Wahlkampagne Sirenengesänge an die Arbeiter von Buenos Aires über „die Verteidigung der Beschäftigung“ richteten, haben der Räumung grünes Licht gegeben. Die Forderung aus der US Botschaft – wie Scioli selbst zugab - wurde mittels Tränengas, Schlagstöcken, Gummigeschossen und Verhaftungen von ArbeiterInnen, die für den Erhalt ihrer Anstellung kämpften, quittiert. Das Arbeitsministerium schien nun die Kanzlei des multinationalen Unternehmens zu sein. Die Führung des Dachgewerkschaftsverbandes, CGT, entpuppte sich als Diener des US-Unternehmens. Während Moyano und Daer (die Anführer von CGT) den Streik als „linksradikal“ verurteilten, wuchsen selbst in der peronistischen Basis die Solidaritätsbekundungen, die sich nach der Repression vervielfachten. Die Arbeiter der Schiffswerft Astillero Río Santiago organisierten einen Solidaritätsstreik, der von den Delegierten der Linken und der Peronisten von der „Lista Blanca“ organisiert wurde. Die Fabrikarbeiter von Buenos Aires oder diejenigen der großen Betrieben der Autoindustrie in Córdoba, die bei den Wahlen für die Regierung gestimmt hatten, äußerten ihre Empörung, und selbst Mitglieder der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes, UPCN (in der CGT organisiert), beim argentinischen Statistikamt, INDEC, haben zum Streikfond beigetragen. Selbst die Führung der Gewerkschaft CTA, die Zentrale der argentinischen Arbeiter, musste ihre durch Routine und Leblosigkeit geprägte Agenda nach fünf Wochen Stille und lähmung ändern, um den Delegierten von Terrabusi eine Tribüne bei ihrer Veranstaltung „für die gewerkschaftliche Freiheit“ einzuräumen.
Der Streik von Terrabusi entlarvt gleichzeitig die wahre Rolle der Massenmedien. Um die Umzingelung durch die mediale Diktatur der Monopole zu durchbrechen, die nebenbei alle Werbung für Kraft Foods machen, musste die Panamericana (die wichtigste Verkehrsader im amerikanischen Kontinent) besetzt werden. Dabei zählten die Arbeiter mit der Solidarität eines militanten Sektors der Studierendenbewegung, der wichtige Knotenpunkte in Buenos Aires besetzte, um die Bevölkerung auf den Konflikt bei Kraft Foods aufmerksam zu machen. Diese Aktionen haben auch andere Sektoren angesteckt, die ebenfalls Straßenaktionen starteten. Auch die Arbeitslosenbewegung solidarisierte sich mit den Arbeitern von Terrabusi, ging auf die Straße und forderte im gleiche Zuge die Regierung auf, ihren Forderungen endlich nachzukommen: Die versprochenen Wohnungen endlich zur Verfügung zu stellen.
Das Informationsmonopol, das beim Agrarstreit zwischen der Regierung und den Agrarverbänden das Lockout und die Straßenblockaden der Landwirte und die darauf folgende Lebens-mittelknappheit im 2008 unterstützte und life übertrug, versucht heute die Verbreitung der Straßenblockaden zu verhindern, Dabei schürt es ein Klima der Unsicherheit und Agitation gegen die Regierung, um die „öffentliche Meinung“ für rechte lösungsansätze zu gewinnen: „Nieder mit dem Verkehrschaos“ heißt nun die Parole. Selbst Präsidentin Cristina Kirchner rief dazu auf, keine Blockaden mehr zu errichten, doch ihr Appell war eher ein Zeugnis von Ohmacht als von Stärke. Der Streik von Terrabusi und die Solidaritätsaktionen, die dieser hervorgebracht hat, helfen, den Klassencharakter der Debatte um das neue Kommunikationsgesetz zwischen der Regierung und der Opposition im Kongress zu verdeutlichen.
Die Basisdelegierten und die Linke
Hugo Biolcati, Chef des argentinischen Landwirtschaftsverbandes Sociedad Rural Argentina, schloss sich den Deklarationen des Industriedachverbandes UIA (Unión Industrial Argentina) und COPAL, der Kammer der Lebensmittelfabrikanten, an: Bei einem Treffen von über 200 Unternehmern in der Stadt Rosario sagte er: „Wir betrachten mit Sorge den Ausbruch solcher Konflikte in den Unternehmen, denn es gibt manche Belegschaftsvertretungen - die Comisión Interna (vergleichbar mit dem deutschen Betriebsrat) AdÌ.-, die mächtiger erscheinen als die CGT selbst“. Diese Sorge der Agrar-Unternehmer über den Gesundheitsstand der CGT zeigt, dass es den Rechten des Landes „zweckmäßig“ erscheint, eine Stütze bei den besten Verbündeten der Regierung, bei Gewerkschaftsführern wie Daer oder Moyano, zu suchen.
Die Comisiones Internas sind den Unternehmen ein Dorn im Auge. Deswegen stellte Kraft López Matheu ein. Er gilt als ein Spezialist bei der Bekämpfung von Basisorganisationen der Arbeiterschaft. Als Direktor der Gruppe Clarin, ist er verantwortlich für das Verschwinden der Comisión Interna der Zeitung Clarin. Dabei betonte er stets die Notwendigkeit, Hunderte von Arbeitern zu entlassen und die Produktion zu steigern. Das Ziel dieser Personalentscheidung ist klar: Die gewerkschaftliche Organisation der Basis zu zerstören, um die Bedingungen der Ausbeutung auf die neuen Zeiten des kriselnden Kapitalismus anzupassen.
Der Grund der Entlassungen liegt nicht im berechtigten Aufstand gegen die Schlampigkeit des Unternehmens bei der Schweinegrippe. Dies beweist die Tatsache, dass die Mehrheit der Entlassenen nicht zur Schicht gehört, die den Aufstand vorangetrieben hatte, sondern zur Nachtschicht, bei der die kämpferischsten Delegierten arbeiteten. Das Unternehmen wendet sich an die Justiz und zeigt die kämpferischen Kollegen an, mit dem klaren Ziel, die gewerkschaftlichen Aktivitäten zu kriminalisieren, Provokationen zu starten, Beweise zu erfinden und sogar Staatsanwälte und Richter zu kaufen.
Der Konflikt bei Kraft komprimiert einen großartigen Widerstand der Lohnabhängigen gegen den Willen der Monopole, um die Basisorganisationen der Arbeiterklasse, die Vertrauenskörper und die Betriebsräte zu stärken. Dieser Kampf hat aber auch eine tiefe politische Dimension des Konfliktes offenbart: Wenn diese Organisationen nicht von den Gewerkschaftsbürokraten kontrolliert werden, gewährleisten sie die Pluralität der Parteien der von der Basis gewählten Delegierten. Anders sieht es beim Vertikalismus der Gewerkschaften aus, in denen „Einheitslisten“ das Sagen haben, wie kürzlich bei der Eisenbahngesellschaft von Pedraza, die die Klassenopposition verbot.
Der Angriff von Daer und Moyano gegen die Streikenden, weil diese „ideologisiert“ und „politisiert“ seien, offenbart die Beziehung zwischen der Arbeiterklasse und der Linken. In den neuen Betriebsräten, und vor allem bei den Vertrauenskörpern, wie zum Beispiel bei den Angestellten der U-Bahn von Buenos Aires, können sich alle gewerkschaftlichen und politischen Strömungen, die sich an den Kämpfen der Arbeiterklasse beteiligen, äußern.
Im Falle von Terrabusi sind Betriebsrat und Vertrauenskörper von über 40 Basisdelegierten aller Schichten zusammengesetzt. In ihnen agieren Unabhängige, Anführer von CCC-PCR1 zusammen mit den klassenkämpferischen Kräften in den Gewerkschaften und Volksbewegungen (CCC)) und der PTS (Partei der Werktätigen für den Sozialismus), Teil der Strömung „Trotzkistische Fraktion für die Vierte Internationale“, zu der auch unsere Gruppe „Internationale Klassenkampf“ gehört. Diese Zusammenarbeit an der Basis findet trotz der tiefgehenden politischen Unterschiede mit der CCC-PCR statt. Dies wurde eindrucksvoll beim Agrarkonflikt zwischen den Agrarunternehmen und der Regierung gezeigt. Bei diesem Konflikt reihte sich die CCC (neben der MST - Sozialistische Bewegung der ArbeiterInnen - von Vilma Ripoll) hinter den Unternehmensverbänden des Agrarsektors ein, während unsere Strömung die Unabhängigkeit beim Streit zwischen den zwei Lagern der Unternehmer aufrechterhielt. Dabei hielten wir die Banner der Kachelarbeiter von Zanon hoch, d.h. der politischen Unabhängigkeit der Arbeiterklasse -und somit der Kampf für ihre eigenen Klasseninteressen- gegenüber den Konflikten im bürgerlichen Lager.
Dies entspringt der Tatsache, dass die in der Fabrik agierenden verschiedenen politischen Strömungen nur Teil einer Einheitsorganisation der Arbeiter sind und durch die Stimmen der Arbeiterbasis gewählt werden.
Gegen das Vorhaben von Kraft, der US-Botschaft und ihrer Verbündeten!
Wiedereinstellung ALLER Entlassenen!
Fußnote
1 CCC-PCR: Revolutionäre Kommunistische Partei (Maoisten).