FT-CI

Debatte: Kann SYRIZA eine revolutionäre Partei werden?

06/10/2012

Von Wladek Flakin

Der Höhenflug von SYRIZA hat eine breite Debatte in der revolutionären Linken ausgelöst. Viele Kräfte, die sich auf den Trotzkismus berufen, unterstützten Tsipras und Co. mehr oder weniger unkritisch. Aber auch unter den Kräften, die SYRIZA richtigerweise als eine reformistische Partei kritisieren und den Aufbau einer revolutionären Alternative fordern, gibt es den Vorschlag, die letztere aus der ersteren zu schaffen. So schrieb die „Liga für die Fünfte Internationale“ (LFI, internationale Strömung der Gruppe Arbeitermacht) in einer Stellungnahme: „RevolutionärInnen müssen dafür kämpfen, Syriza zu einer Partei des Kampfes, einer Partei der Aktion zu machen, mit einem Wort: zu einer revolutionären Partei.“ Nach dem guten Wahlergebnis stünde diese eurokommunistische Partei „vor der Herausforderung, […] die ”šRegierung der nationalen Rettung‘ [zu] verjagen und eine Arbeiterregierung [zu] errichten“[1].

Aber dummerweise erklären alle SprecherInnnen von SYRIZA bei jeder Gelegenheit, dass sie den Euro und die Europäische Union retten wollen – sie sehen ihre Herausforderung darin, das kapitalistische System aufrecht zu erhalten und nicht zu stürzen. Vor diesem Hintergrund haben sie in der Vergangenheit hin und wieder zu Aktionen aufgerufen – aber immer mit der Perspektive, die Aktionen der Massen zurückzuhalten. Denn eine reformistische Partei, die auch Aktionen macht, ist eben keine revolutionäre Partei – nicht „mit einem Wort“ und auch sonst nicht.

Die LFI schlägt RevolutionärInnen in Griechenland vor, in SYRIZA einzutreten und dafür zu kämpfen, „Syriza vom Einfluss des Reformismus zu befreien und ein revolutionäres Programm durchzusetzen.“[2] „So könnte Syriza noch stärker zu einer Führung im Kampf für die Macht der Arbeiterklasse werden.“[3]

SYRIZA ist aber nicht eine undefinierte Partei, die mehr oder weniger unter dem Einfluss des Reformismus steht, und noch weniger ist sie eine mehr oder weniger starke Führung im Kampf für die Macht der ArbeiterInnen. Sie ist im Wesentlichen ein Wahlverein ohne starke organische Bindungen zur ArbeiterInnenklasse in Griechenland.

Die LFI ruft trotzdem dazu auf, Entrismus in SYRIZA zu machen. Entrismus ist jedoch richtig verstanden die Taktik, dass eine revolutionäre Gruppe in eine reformistische Massenpartei eintritt, um Teile der Basis von der Partei zu brechen[4]. Doch die LFI verbindet ihre Taktik, im Gegensatz zur Entrismus-Taktik Trotzkis, mit der Illusion, dass man dadurch eine reformistische Partei in eine revolutionäre verwandelt werden könnte. Davon gibt es keinerlei historische Beispiele: selbst in Fällen, in denen eine klare Mehrheit in einer linksreformistischen Partei für eine revolutionäre Perspektive gewonnen wurde, etwa bei der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) im Jahr 1920 oder bei der Section Française de L’Internationale Ouvrière (SFIO) im gleichen Jahr, mussten die Mehrheit mit den Parteispitzen und ihren Apparaten brechen, um jeweils kommunistische Parteien zu gründen.

Trotzki kritisierte die stalinistische Führung der Komintern dafür, dass sie die chinesische Nationalpartei KMT in eine revolutionäre Partei verwandeln wollten. „Wenn man die Kuomintang nicht als bürgerliche Partei, sondern als neutrale Arena für den Kampf um die Massen betrachtet, wenn man mit den neun Zehnteln der linken Basis auftrumpft, um die Frage, wer der Herr im Hause ist, zu verschleiern, so bedeutet das, daß man die Stärke und die Macht der Spitze festigt“. Die StalinistInnen haben „sich vorgemacht, daß durch einfache Neuwahlen auf den Parteitagen der Kuomintang die Macht aus den Händen der Bourgeoisie in die Hände des Proletariats übergehen werde. Kann man sich eine rührendere, idealistischere Anbetung der ”šParteidemokratie‘ […] vorstellen?“[5]

Genau diese idealistische Vorstellung, die Trotzki kritisierte, wurde von verschiedenen Teilen der trotzkistischen Bewegung nach dem Zweiten Weltkrieg übernommen. TrotzkistInnen wie Michael Pablo oder Ted Grant argumentierten, dass sozialdemokratische oder stalinistische Parteien durch eine längerfristige und halb versteckte Beeinflussung durch TrotzkistInnen in Instrumente der proletarischen Revolution verwandelt werden könnten. So rechtfertigten sie ihre teilweise jahrzehntelange Anpassung an reformistische Parteien.

Sonst bemühen sich die GenossInnen der LFI, sich von dieser zentristischen Tradition zu distanzieren, doch im Falle von SYRIZA vertreten sie eine klar zentristische Vorstellung. Obwohl sie beispielsweise bei einer Veranstaltung in Berlin verneinten, dass SYRIZA zu einer revolutionären Partei gemacht werden könnte, rufen sie in ihren Publikationen immer wieder unzweideutig dazu auf. Diese Art des Hin- und Her-Schwankens ist typisch für eine zentristische Perspektive.

Leider schlagen sie illusorischen Projekte dieser Art nicht nur bei SYRIZA, sondern auch auf internationaler Ebene vor: Um das Ziel einer revolutionären Internationale der ArbeiterInnen und Jugend zu erreichen, schlagen sie vor, irgendeine Internationale mit irgendwem – etwa mit dem venezolanischen Staatspräsidenten Hugo Chávez und seiner bürgerlich-nationalistischen Partei PSUV – gründen und diese für eine revolutionäre Perspektive zu gewinnen. Mit dieser Perspektive haben wir schon mehrmals öffentlich debattiert und vor diesem Hintergrund laden wir die GenossInnen zur Debatte über ihre Politik zu SYRIZA ein.

    Fußnoten:

    [1]. Siehe den Artikel Stellungnahme der LFI. 18. Juni 2012.

    [2]. Stellungnahme der LFI. 5. Juli 2012.

    [3]. Stellungnahme der LFI. 18. Juni 2012.

    [4]. Wir möchten uns bald in einem ausführlicheren Artikel der Frage des Entrismus widmen.

    [5]. Leo Trotzki: Die Dritte Internationale nach Lenin. Essen 1993. S. 216. Auch wenn wir SYRIZA nicht als bürgerliche Partei, sondern als bürgerliche ArbeiterInnenpartei definieren würden, glauben wir, dass das Zitat auch hier Anwendung finden kann, da die Parteispitze aus VertreterInnen der Interessen der Bourgeoisie besteht.

Empfohlene Artikel

No hay comentarios a esta nota

Publikationen

  • PTS (Argentina)

  • Actualidad Nacional

    MTS (México)

  • EDITORIAL

    LTS (Venezuela)

  • DOSSIER : Leur démocratie et la nôtre

    CCR NPA (Francia)

  • ContraCorriente Nro42 Suplemento Especial

    Clase contra Clase (Estado Español)

  • Movimento Operário

    MRT (Brasil)

  • LOR-CI (Bolivia) Bolivia Liga Obrera Revolucionaria - Cuarta Internacional Palabra Obrera Abril-Mayo Año 2014 

Ante la entrega de nuestros sindicatos al gobierno

1° de Mayo

Reagrupar y defender la independencia política de los trabajadores Abril-Mayo de 2014 Por derecha y por izquierda

La proimperialista Ley Minera del MAS en la picota

    LOR-CI (Bolivia)

  • PTR (Chile) chile Partido de Trabajadores Revolucionarios Clase contra Clase 

En las recientes elecciones presidenciales, Bachelet alcanzó el 47% de los votos, y Matthei el 25%: deberán pasar a segunda vuelta. La participación electoral fue de solo el 50%. La votación de Bachelet, representa apenas el 22% del total de votantes. 

¿Pero se podrá avanzar en las reformas (cosméticas) anunciadas en su programa? Y en caso de poder hacerlo, ¿serán tales como se esperan en “la calle”? Editorial El Gobierno, el Parlamento y la calle

    PTR (Chile)

  • RIO (Alemania) RIO (Alemania) Revolutionäre Internationalistische Organisation Klasse gegen Klasse 

Nieder mit der EU des Kapitals!

Die Europäische Union präsentiert sich als Vereinigung Europas. Doch diese imperialistische Allianz hilft dem deutschen Kapital, andere Teile Europas und der Welt zu unterwerfen. MarxistInnen kämpfen für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa! 

Widerstand im Spanischen Staat 

Am 15. Mai 2011 begannen Jugendliche im Spanischen Staat, öffentliche Plätze zu besetzen. Drei Jahre später, am 22. März 2014, demonstrierten Hunderttausende in Madrid. Was hat sich in diesen drei Jahren verändert? Editorial Nieder mit der EU des Kapitals!

    RIO (Alemania)

  • Liga de la Revolución Socialista (LRS - Costa Rica) Costa Rica LRS En Clave Revolucionaria Noviembre Año 2013 N° 25 

Los cuatro años de gobierno de Laura Chinchilla han estado marcados por la retórica “nacionalista” en relación a Nicaragua: en la primera parte de su mandato prácticamente todo su “plan de gobierno” se centró en la “defensa” de la llamada Isla Calero, para posteriormente, en la etapa final de su administración, centrar su discurso en la “defensa” del conjunto de la provincia de Guanacaste que reclama el gobierno de Daniel Ortega como propia. Solo los abundantes escándalos de corrupción, relacionados con la Autopista San José-Caldera, los casos de ministros que no pagaban impuestos, así como el robo a mansalva durante los trabajos de construcción de la Trocha Fronteriza 1856 le pusieron límite a la retórica del equipo de gobierno, que claramente apostó a rivalizar con el vecino país del norte para encubrir sus negocios al amparo del Estado. martes, 19 de noviembre de 2013 Chovinismo y militarismo en Costa Rica bajo el paraguas del conflicto fronterizo con Nicaragua

    Liga de la Revolución Socialista (LRS - Costa Rica)

  • Grupo de la FT-CI (Uruguay) Uruguay Grupo de la FT-CI Estrategia Revolucionaria 

El año que termina estuvo signado por la mayor conflictividad laboral en más de 15 años. Si bien finalmente la mayoría de los grupos en la negociación salarial parecen llegar a un acuerdo (aún falta cerrar metalúrgicos y otros menos importantes), los mismos son un buen final para el gobierno, ya que, gracias a sus maniobras (y las de la burocracia sindical) pudieron encausar la discusión dentro de los marcos del tope salarial estipulado por el Poder Ejecutivo, utilizando la movilización controlada en los marcos salariales como factor de presión ante las patronales más duras que pujaban por el “0%” de aumento. Entre la lucha de clases, la represión, y las discusiones de los de arriba Construyamos una alternativa revolucionaria para los trabajadores y la juventud

    Grupo de la FT-CI (Uruguay)