Bundeswehr in Afghanistan
KRIEGSVERBRECHEN IM NAMEN VON "FREIHEIT" UND "DEMOKRATIE"
13/11/2009
Das Engagement Deutschlands in Afghanistan sowie die Oberaufsicht über die Polizeiausbildung vor Ort wird alljährlich verlängert. Der Bundestag hat zuletzt im Oktober 2008 parteiübergreifend, ausgenommen DIE LINKE, das Bundeswehrmandat für Afghanistan für weitere 14 Monate verlängert - bei gleichzeitiger Erhöhung der dort stationierten Soldaten auf 4500. Die als „Friedensmission“ und „Aufbauhilfe“ verkaufte neokoloniale Politik wird seit Juli 2009 durch den Einsatz von schwerem militärischem Gerät, also Panzern, ergänzt.
Bei diesem Krieg, der von der deutschen politische Elite mit dem „aseptischen“ Begriff „Einsatz“ umschrieben wird, handelt es sich weder um einen „Kampf der Zivilisationen“, noch um einen Kampf zwischen Islamofaschismus (G.W.Bush) -verkörpert durch die Taliban- und säkularer Demokratie (in erster Linie durch die imperialistischen Demokratien des Westen, allen voran die USA, vertreten), sondern lediglich um einen Krieg um Einflussbereiche und wirtschaftliche Interessen. Denn aufgrund der besonderen geographischen Lage Afghanistans wird derjenige, der die Kontrolle über das Land erlangt, auch Zentralasien kontrollieren und somit den Zugriff auf Rohstoffe und deren Transportwege für sich sichern. Was die Afghanen dabei denken, ist unbedeutend für alle imperialistischen Mächte, die mit von der Partie sind.
Die Tatsache, dass der Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan als humanitäre Mission oder Aufbauhilfe verkauft wird, entspricht der Notwendigkeit der Herrschenden, den zu bezahlenden Blutzoll für sublimere Ziele als rein wirtschaftliche zu erklären, außerdem ist das Wort Krieg besonders negativ konnotiert und erinnert an die aggressiven Feldzüge des deutschen Kapitals mittels der Wehrmacht. Auf der anderen Seite soll die öffentliche Meinung, die ohnehin zum größten Teil gegen den Einsatz in Afghanistan ist, allmählich an militärische Interventionen gewöhnt werden, denn „den nationalen Sicherheitsinteressen weit entfernt von der Heimat zu dienen, ist eine Aufgabe, die wir heute haben, die neu ist, die es viele Jahrzehnte lang so nicht gab und die uns noch viele Jahre durch das 21. Jahrhundert begleiten wird.“ (A. Merkel, 06.07.2009).
Der Afghanistankrieg und die Verlogenheit der herrschenden Klasse
Angela Merkel sagte: „Der Afghanistan-Einsatz ist unsere Reaktion auf den Terror. Er ist von dort gekommen und nicht umgekehrt“. So verteidigte sie den nicht erklärten Krieg in Afghanistan. „Ìbergeordnetes internationales Ziel bleibe ein Afghanistan, das selbst für seine Sicherheit sorgen könne und nicht wieder Heimstatt des internationalen Terrorismus werde.“ (Aus der Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, vom 08.09.2009) Abgesehen davon, dass kein einziger der bei dem Attentat auf das WWC involvierten Terroristen aus Afghanistan kam und der Terror eine Kampfform darstellt, also weder eine reguläre noch eine irreguläre Armee darstellt, erbergen sich hinter dieser Rhetorik ganz normale wirtschaftliche Interessen, eben die Interessen der herrschenden Klasse, denn „für die deutsche Wirtschaft kann dies den Einstieg in eine neue Wirtschaftsregion bedeuten“1.
Deutschland muss und will gemäß seiner wachsenden wirtschaftlichen Stärke immer mehr globale Aufgaben übernehmen.
Diese werden natürlich im Namen der Demokratie verhüllt und vermittelt. Jedoch wie die betrügerischen Wahlen in Afghanistan gezeigt haben, bei denen sich die Marionette des Westens Karzei zum Sieger erklärt hatte, ist das afghanische Regime alles andere als demokratisch.
Fern von der Rhetorik von Demokratie und Menschenrechten zielt der Einsatz der imperialistischen Truppen und ihrer Helfer in der Praxis auch nicht auf den Aufbau von starken und transparenten nationalen Institutionen nach westlichem Muster, denn die bürgerliche Demokratie ist ein Privileg der reichen Nationen. „Die imperialistischen Demokratien sind in Wirklichkeit die größten Aristokratien in der Geschichte, England, Frankreich, Holland, Belgien, [wir fügen hinzu die BRD] stützen sich auf die Versklavung kolonialer Völker. Die Demokratie der Vereinigten Staaten beruht auf der Besitzergreifung des großen Reichtums eines ganzen Kontinents. All die Bemühungen dieser „Demokratien“ stützen sich auf die Erhaltung ihrer privilegierten Stellung. Ein beträchtlicher Teil der Kriegslast wird von den imperialistischen Demokratien ihren Kolonien aufgeladen. Die Sklaven werden gezwungen, Blut und Gold zu liefern, um die Möglichkeit ihrer Herren, Sklavenhalter zu bleiben, zu erhalten. Die kleinen kapitalistischen Demokratien ohne Kolonien sind Vasallen der Großmächte und liefern einen Teil der kolonialen Profite. Die herrschenden Klassen in diesen Staaten sind bereit, die Demokratie jederzeit aufzugeben, um ihre eigenen Privilegien zu erhalten.“ 2
Seitdem Trotzki diese Zeilen schrieb, hat sich nichts geändert: Seit 2001 wurden mehrere Abkommen unterzeichnet, die die Gestaltung des Landes nach dem Willen imperialistischer Mächten sicherte. Darunter ist das Petersberger-Abkommen, das das Land in ein de facto imperialistisches Protektorat verwandelt hat.
Aus den Versprechungen der Imperialisten, das Land in blühende Landschaften zu verwandeln, wurde natürlich nichts. Heutzutage beschränkt sie sich darauf, die wachsende Einflussnahme der Taliban zu begrenzen. Dabei wird eine „Strategie“ verfolgt, die willig mit den moderaten, aber nicht weniger klerikalen und servilen Kräften der Taliban paktiert.
Die Besatzung hat bisher geschätzten 300.000 AfghanInnen das Leben gekostet. Millionen leiden Hunger. Die Kindersterblichkeitsrate ist eine der höchsten weltweit usw. Nicht mal elementare demokratische Freiheiten können die Besatzer gewährleisten: Frauen gehen immer noch verschleiert auf die Straße, Mädchen gehen nicht zur Schule, und das alles weniger als 1 km von der deutschen Bundeswehrbasis entfernt.
Gegen die verstärkten Aktivitäten der Taliban, welche ca. ein Drittel des Landes kontrollieren, seien „die gemeinsam mit der afghanischen Armee ausgeführten Operationen gegen die Taliban [….] praktisch wirkungslos.“ (FTD, Bundeswehr verzweifelt an Afghanistan, vom 22.09.2009). Es handelt sich also im Sprachjargon vom Brigadegeneral Vollmer um einen „Scheibenwischereffekt“, denn die Taliban haben ihr Operationsgebiet bis an die Grenzen der Provinz ausgedehnt.
Angesichts der wachsenden Machtlosigkeit der Bundeswehr und des steigenden Blutzolls, die Interessen der deutschen Unternehmen zu garantieren, wird der Einsatz der Soldaten zunehmend gewalttätiger: Wenn anfangs „nur“ einige wenige Kinder und Jugendliche sterben mussten, sind seit dem 13. September 2009 aufgrund eines von einem deutschen Offizier angeforderten Luftangriffes auf zwei in einem Flussbett feststeckende Tanklaster offiziell 99 Menschen gestorben, also seit dem 2. Weltkrieg das blutigste Ereignis, bei dem deutsche Soldaten involviert waren.
Die wahren Gewinner des Krieges
Seit der Niederlage und dem Sturz der Taliban hat sich Afghanistan in eines der beliebtesten Investitionsländer der deutschen Konzerne gewandelt. Ca. 2,4 Mrd. Dollar sind seit 2003 bereits im Land investiert worden. Der IWF (Internationale Währungsfond) rechnet für das laufende Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von zwölf Prozent.
Zur Zeit ist Deutschland führende Gebernation (Key Partner Nation) in den Schwerpunktbereichen Sicherheit, Wiederaufbau, Infrastruktur, Wirtschafts-(förderungs-)Politik und, um den Anschein zu wahren, im Bildungssektor. Die deutsche „Entwicklungszusammenarbeit“ hat zum Ziel, einen „landesweiten Ansatz über Einflussnahme in Politikbereiche der nationalen Ebene“ zu erreichen. Dies soll mittels des Wiederaufbaus der Infrastruktur, also Trinkwasser- und Energieversorgung, und im Bereich der nachhaltigen Wirtschafts-(förderungs-)Politik geschehen; durch die Beratung der afghanischen Regierung bei der Gestaltung einer investitions- und unternehmerfreundlichen Wirtschaftsverfassung; der Einrichtung der Investitionsagentur AISA, die die „Erleichterung der Investitionsprozesse und die Förderung von Investitionen in Afghanistan zum Ziel hat.“
Im April 2006 unterzeichneten Deutschland und Afghanistan einen bilateralen Investitionsförderungs- und Schutzvertrag, welcher „den 100prozentigen Firmenbesitz von Ausländern, Schutz vor Enteignung, Steuerbefreiung in den ersten acht Jahren, Zollreduzierung und vollständigen Gewinntransfer ins Ausland vorsieht.“3 Dieser Vertrag war umso nötiger, da „Afghanistan sich zum interessanten Markt für deutsche Unternehmen entwickelt.“(...) Und noch wichtiger, der afghanischer Markt „biete Wachstumsraten zwischen zehn und zwanzig Prozent, und besonders deutsche Investoren seien Willkommen.“4 Heutzutage sind nach Schätzungen deutscher Verbände 60 Unternehmen aus Deutschland am Hindukusch vertreten. Diese Unternehmen, die buchstäblich über Leichen gehen, um satte Gewinne in fernen ländern einzufahren, kurbeln jedoch auch im Inneren die Ausbeutungsspirale immer mehr an, indem sie viele Lohnabhängigen hier in Deutschland auf die Straße setzen. (Siehe Infokasten)
Einige Beispiele sind Siemens, das das Telefonnetz ausbaut und an der Modernisierung von zwei Wasserkraftwerken beteiligt ist. Der Essener Baukonzern Hochtief repariert seinerseits Straßen. Aber nicht nur beim Infrastrukturaufbau wird kräftig verdient.
Auch die deutsche Rüstungsindustrie verdient, wie könnte es auch anders sein, kräftig am Einsatz in Afghanistan. Dabei werden die Rüstungsindustrie und ihre Waffengeschäfte mittels Steuereinnahmen finanziert und ermöglicht.
Siemens, ThyssenKrupp, Krauss Maffei und vielen anderen Unternehmen vor Ort geht es nicht um Abstraktionen wie Demokratie, Menschen- oder auch Frauenrechte, sondern lediglich um ihre wirtschaftlichen Interessen und das Wohlergehen der Institution, die ihre Interessen und Geschäfte vor Ort und mit den Waffen in der Hand garantiert, die Bundeswehr.
Der Krieg ist also nichts anderes als ein gigantisches kommerzielles Unternehmen, vor allem für die Kriegsindustrie. Deshalb sind die deutschen Unternehmen die ersten Patrioten und die hauptsächlichen Kriegstreiber. „Die Arbeiterkontrolle über die Kriegsindustrie ist der erste Schritt im Kampf gegen die Fabrikanten des Krieges.“
Dies ist der Grund für die Gründung der „Industriegruppe Service im Einsatz“, kurz IGS E. Ihr Ziel liegt darin, „insbesondere im Bereich der technischen Unterstützung von Streitkräften bei Einsätzen in Krisengebieten (...) wertvolles Know-how“ einzubringen.5 Den Preis kann man an der jüngsten Jahresbilanz des Rüstungsunternehmens ablesen. So ist der Umsatz von KMW um ca. 100 Millionen auf 1,4 Mrd. Euro gestiegen. Eine weitere Milliarde Euro aus Steuergeldern wurde zudem im Stillen für den Bau, Start und Betrieb des ersten (von zwei) Kommunikationssatelliten der Bundeswehr gegeben. Der auf den Namen „SatcomBW“ getaufte Satellit wird als ein weiterer Schritt bei der technischen Emanzipation der Bundeswehr gesehen.
Unsere Losung gegen den imperialistischen Krieg Deutschlands und gegen die Geschäfte der Rüstungsindustrie lautet, wie es Trotzki im Ìbergangsprogramm darstellt:
Beschlagnahme der Kriegsgewinne und Enteignung der für den Krieg arbeitenden Betriebe.
Die Linke und der Afghanistan Krieg
DIE LINKE fordert in ihrem Programm den Rückzug der deutschen Truppen aus Afghanistan. Jedoch tut sie es nicht, weil es sich um einen imperialistischen Krieg handelt oder weil der „Hauptfeind im eigenen Land steht“, sondern weil dieser Krieg „völkerrechtswidrig“ sei. Der Begriff Völkerrecht geht von einer überstaatlichen Rechtsordnung aus, durch die die Beziehungen zwischen den Staaten auf der Grundlage der Gleichrangigkeit geregelt werden. Also handelt es sich um eine Kritik, die an der „Oberfläche der materiellen Erscheinungen“6 stehen bleibt, welche nicht den Mut hat oder willens ist, in tiefere Schichten der ökonomischen Tendenzen vorzudringen. Also, zwischen den Unterdrückenden und Unterdrückten Nationen wird ein Gleichzeichen gesetzt. Die Vertreter der LINKEN gehen also davon aus, dass es keine unterdrückten und unterdrückenden Nationen gibt, dass sie alle vor dem Gesetz, das supranational ist und über den wirtschaftlichen Beziehungen steht, gleich seien. Anders formuliert, wäre dieser Krieg durch das „Völkerrecht“ gedeckt, hätte man nichts einzuwenden, wie im Falle des Kosovo oder auch der Intervention vor der libanesischen Küste.
Aufgrund der Abgrenzungspolitik der SPD gegenüber den Linken und der Besessenheit der LINKEN, Regierungsverantwortung zu übernehmen, fingen sie kurz vor den Wahlen an, ihre Verantwortung gegenüber der herrschenden Klasse kundzutun. „Sofort heißt natürlich nicht kopflos“, sagte Lafontaine. „Das Parlament müsste entscheiden, dann müsste die Regierung mit den Partnern über die Modalitäten des Abzugs verhandeln.“ Dies war aber kein Ausrutscher, denn der Bundesgeschäftsführer sagte in gleicher Tonart, mit „Raus aus Afghanistan“ meine seine Partei nicht „Ìbermorgen raus aus Afghanistan“.7 DIE LINKE betreibt Realpolitik, die darauf abzielt, sich auf Raten von der Radikalität dieser Forderung zu entfernen, gemäß dem Motto: alles ist Verhandlungssache.
Eine revolutionäre Antwort auf imperialistische Kriege
Die Tatsache, dass die schlecht ausgerüsteten Taliban in der Lage sind, die NATO Truppen langsam aber sicher zu zermürben, liegt darin begründet, dass diese von den afghanischen Massen als das kleinere Ìbel betrachtet werden. Angesichts der Brutalität und Rücksichtslosigkeit der Besatzer sind immer größere Teile der Bevölkerung bereit, gegen sie zu kämpfen.
Der Kampf gegen die imperialistischen Truppen, welche die Interessen des jeweiligen Kapitals durchsetzen, ist berechtigt und aus Sicht der Unterdrückten vollkommen legitim. Die Opfer des Imperialismus, wie im Falle von Afghanistan, nutzen den Krieg, um sich der imperialistischen Unterdrückung zu entledigen. Aus ihrer Sicht ist der Krieg kein imperialistischer, sondern ein Befreiungskrieg gegen das imperialistische Joch. Sollte das afghanische Volk trotz ihrer Führung gegen die Imperialisten siegen, wären die Tage der reaktionären und klerikalen Kräfte, die im Kampf gegen die Sowjetunion seinerzeit von der CIA aufgebaut, trainiert und finanziert wurden, gezählt.
Die revolutionäre Jugend in den imperialistischen ländern hat die Aufgabe, sich für die Interessen der unterdrückten Massen in den Interventionsgebieten der imperialistischen Bourgeoisie einzusetzen. Auch das Proletariat, das von denselben Unternehmen, die sich dort eine goldene Nase verdienen, in die Arbeitslosigkeit und das Elend geschickt wird, sollte sich mit diesen solidarisieren, denn eine Niederlage der imperialistischen Kräften kann den Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung zu Hause nur beflügeln.
Der Kampf für den sofortigen Abzug der US Army und der Bundeswehr sowie aller imperialistischen Aggressoren ist eine internationalistische Pflicht!
Der Hauptfeind steht im eigenen Land!
Fußnoten
1 Investieren in Afghanistan, IHK Darmstadt Rhein Main Necker (http://www.darmstadt.ihk24.de/produktmarken/international/Laenderinfos/Investieren_in_Afghanistan/aw_afghanistan_investieren.jsp).
2 Leo Trotzki: Manifest der IV. Internationale zum imperialistischen Krieg und zur proletarischen Weltrevolution
3 Brückenkopf Afghanistan, JungeWelt, 11.09.2009
4 Das Afganistan-Geschäft, Handelskammer Hamburg,http://www.hk24.de/share/hw_online/hw2006/artikel/18_international/06_01_26_aufbauhilfe.html
5 Pressemitteilung der Waffenschmiede KMW, München, 12. August 2009.
6 Leo Trotzki 1917:: Der Pazifismus
– Wasserträger des Imperialismus
7 Linke schlägt in Afghanistan-Politik neue Töne an; Spiegel Online, 17. September 2009.