WEG MIT MUBARAK!
Lang lebe der Kampf der ägyptischen ArbeiterInnen und des Volkes!
12/02/2011
3. Februar 2011
Während wir diese Zeilen schreiben, scheint der revolutionäre Prozess, der in Ägypten begonnen hat, in eine entscheidende Phase zu gehen. Dies ist der Wichtigste einer reihe von Aufständen, die durch verschiedene länder in der arabischen Welt fegen: In Tunesien, dem Jordan, dem Jemen, Marokko und Algerien, wo die Opposition nach einem Generalstreik und Demonstrationen verlangt hat. In Ägypten erreichte die Aufruhr der Arbeiter und der Volksaufstand am 1. Februar einen neuen Meilenstein, als zwischen zwei Millionen und vier
Millionen Menschen den Rücktritt des Diktators Hosni Mubarak forderten. Mubarak erhielt dann seinen Machtanteil, indem er bekannt gab, dass er die Macht nur bis zu den Präsidentenwahlen im September behalten will; sein einziges Zugeständnis ist also, das er nicht wieder kandidieren wird. Dieser verspätete Versuch Mubaraks, an der Macht zu bleiben, den Chef des militärischen Geheimdienstes, Omar Suleyman, als Vizepräsident zu
ernennen, scheint angesichts der andauernden Revolte völlig unwirksam zu sein.
Die Armee, die sich als ein ’Freund’ der Antiregierungsdemonstrationen dargestellt hatte, hat angefangen, ihre wahren Absichten klarer zu zeigen: Nach der ersten Rede von Mubarak forderte es die Massen auf ’nach Hause zu gehen’, und ’zu ihrem normalen Leben zurückzukehren’, da die Regierung von ihren Forderungen Notiz genommen hatte. Dazu kam, dass Obama einen sofortigen demokratischen Ìbergang von Mubarak forderte,
möglich ist sogar, dass die erste Rede des Diktators im Voraus nicht nur mit der Armee sondern auch mit Washingtons Sondergesandtem, Frank Wisner, besprochen wurde, der aktiv eingegriffen hat, um das ägyptische Regime zu schützen.
Wie erwartet, wurde der Aufruf nach Hause zurückzukehren, von all denjenigen zurückgewiesen, die seit mehreren Tagen mit dem Ziel die auf den Straßen gewesen sind, diesem diktatorischen Regime ein Ende zu setzten. Das Regime nutze seine bewaffneten Banden, die aus Zivilpolizei und Beamten zusammengesetzt sind, um am 2. Februar eine Offensive gegen die Demonstranten zu ergreifen, um den sinnbildlichen Befreiungs-Platz in Kairo wiederzugewinnen, der zum revolutionäre Epizentrum geworden ist. Die Pro-Regierungs-Banden, einige auf Pferden und Kamelen, griffen die Menge mit Stöcken, Messern und anderen Waffen an. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Steinen und Molotowcocktails standen im scharfen Kontrast zu der festlichen und friedlichen Atmosphäre, die in den vorherigen Tagen geherrscht hatte. Der Kampf kostete mindestens fünf Leben, und mehr als 1.500 wurden verwundet, aber die Anti-Mubarak Demonstranten besiegten
erfolgreich den von den Pro-Regierungs-Banden begangenen Angriff, dessen Ziel es war, die Massenmobilisierung zu zerschlagen. Bei Redaktionsschluss verschärfte sich die Krise.
Klar hat das Beharren von Mubarak an der Macht zu bleiben, die Situation radikalisiert, die sich einem Wendepunkt nähert, und Ursache von Sorge unter den imperialistischen Mächten ist, in erster Linie der USA, und auch den diktatorischen Regierungen in der arabischen Welt ist, die ähnlichen Protesten gegenüberstehen.
Der Status quo wird unhaltbar: Entweder wird der revolutionäre Prozess einen riesigen Schritt vorwärts in seiner Organisation und seinen Absichten gehen und es schaffen, die Armee - die Haupteinrichtung des Regimes und des kapitalistischen Staates - zu spalten und Mubarak zu stürzen, oder das Regime, gewinnt mit Hilfe der Armee und des Imperialismus an Zeit, die
Bewegung zu spalten und zu schwächen (vielleicht mit Repression), um einen geordneten Ìbergang auszulösen, der den ihren Albtraum einer Revolution verbannt.
Die Konterrevolution schlägt zurück
In Anbetracht der eindrucksvollen Stärke der Massenbewegung sucht das Regime, das von der Armee und dem Imperialismus (insbesondere der Obama Regierung) und der bürgerlichen Opposition gegen Mubarak unterstützt wird, nach glaubwürdigen lösungen, um den Prozess entgleisen zu lassen und seine Radikalisierung zu vermeiden.
Jedoch polarisiert die Verweigerung von Mubarak, abzutreten, die Situation. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass er sich bemüht, an der Macht zu bleiben, indem er ein Blutbad sucht, obwohl das eine unsichere Strategie sein würde, die zu einer Spaltung in der Armee führen könnte.
Die Armee, die relativ hohes Prestige genießt, weil sie mit dem Ende der Monarchie und dem Anstieg des Nasser-Populismus Anfang der 1950er Jahre assoziiert wird, hat die de facto-Kontrolle der Situation eingenommen und handelt wie ein Schiedsrichter, während sie in Wirklichkeit die Hauptunterstützer des Regimes und Mubaraks ist. Gleichzeitig weigern sie sich auch, repressiv gegen die Demonstranten vorzugehen und füttert so das Trugbild, dass es möglich ist, Vertrauen in die Armee zu haben. Dieses Vertrauen ist bis jetzt ein Schlüsselelement, um den Radikalisierungsprozess zurückzuhalten. Ein anderes Szenario wäre, dass Mubarak geht, dass aber die Kontinuität des Regimes vom Vizepräsidenten, Omar Suleiman, einem nahen Verbündeten von Mubarak aufrechterhalten wird, der das Vertrauen der USA wegen seiner Rolle gegen die Palästinenser genießt, neben Sami Anan, dem Generalstabschef der ägyptischen Streitkräfte. Und doch besteht eine andere Möglichkeit darin, dass Figuren von der bürgerlichen Opposition wie der ehemalige Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Agentur, Mohamed El Baradei, an einer Ìbergangsregierung teilnehmen. Seine Teilnahme würde die Unterstützung der Moslembrüder genießen, eine traditionelle und konservative islamische Organisation, die die Hauptopposition gegen Mubarak darstellt. Diese schwache Regierung würde dafür verantwortlich sein, das Land auf die folgenden Präsidentenwahlen vorzubereiten.
Obwohl die Vereinigten Staaten bis jetzt Mubarak unterstützt haben, weil sie Angst vor den Folgen haben, wenn Mubarak revolutionär gestürzt werden würde und sie eine glaubwürdige und vertrauenswürdige Alternative nicht sehen, scheint es doch so, dass ihre Politik hauptsächlich darauf zielt, die Bewegung durch eine ’lösung der demokratischen Reaktion’ zu zerschlagen. Es ist ihnen völlig bewusst, dass eine gewaltsame und repressive lösung den revolutionären Prozess mit Folgen überall im Maghreb vertiefen konnte, der sich fast überall in Aufruhr befindet. Diese Politik der ’demokratischen Reaktion’ wird mit den imperialistischen Mächten in der Europäischen Union geteilt, die deswegen nervös werden, weil revolutionäre Ereignisse im Maghreb und dem Nahen Osten auch Einfluss in ihren eigenen ländern haben werden.
Die imperialistische Kontrolle in der Krise
Wegen der geopolitischen Wichtigkeit von Ägypten, seinem demografischen Gewicht und seiner Rolle in der arabischen Welt, würde die Möglichkeit, dass eine Revolution von ArbeiterInnen und Unterdrückten gegen das Mubarak-Regime siegt, enorme regionale und sogar weltweite Konsequenzen haben.
Ägypten ist eines der wichtigsten arabischen länder, mit einer Bevölkerung von mehr als 80 Millionen Einwohnern, einem starken, konzentrierten Proletariat, städtischen Mittelschichten und verarmten Klassen, sowie von entscheidendem politischen Gewicht.
Aus ökonomischer Sicht ist Ägypten der Schlüssel für den Öltransport. Durch den Suez Kanal und die Rohrleitung des Suez-Mittelmeeres fließen ungefähr 3 Milliarden Barrel Öl täglich aus den Produzenten-ländern des Golfs zum Mittelmeer. Die Angst vor einem möglichen Verschließen des Suez-Kanals könnte den Preis für Öl erhöhen, der bereits einen Anstieg verzeichnet, ein massiver Anstieg würde zu einem maßlosen Niveau mit unvorhersehbaren Folgen für die Weltwirtschaft führen, nicht nur für die schwache wirtschaftliche ’Erholung’ von einigen industriell entwickelten ländern, sondern auch für das Wachstum von noch unterentwickelten ländern wie China in Zweifel, was einen Einfluss auf die gesamte kapitalistische Weltwirtschaft hätte.
Aus Sicht der geopolitischen Interessen des US-Imperialismus würde es dies ein harter Schlag sein, der die Schwächung der Hegemonie der Vereinigten Staaten verstärken würde, die es weder geschafft haben, die Kriege im Irak und in Afghanistan, noch das Niederzwingen des iranischen Regimes zu beenden. Als 1979 mit dem Fall des Schahs im Iran, die Vereinigten Staaten einen wesentlichen Verbündeten in der Region verloren hatten, war Ägypten, zusammen mit dem Jordan, das einzige arabische Land, das den Friedensvertrag mit dem zionistischen Staat Israel abschloss. Mubarak wurde zu einer Bastion der US-Interessen, der mit ihnen die Politik der Unterdrückung der Palästinenser stützte und seine brutale Zwangsherrschaft mit dem Kampf gegen radikal islamistische Gruppen und die Moslem-Brüderschaft rechtfertigte. Für diese Dienstleistungen erhält das Regime von Mubarak 1,5 Milliarden Dollar jährlich, als militärische finanzielle Unterstützung, der zweitgrößte
Betrag nach Israel. Deshalb bieten alle pro-imperialistischen Regime, von reaktionären arabischen Regierungen bis hin zur korrupten palästinensischen nationalen Regierung und der ultrarechtsgerichteten israelischen Regierung von Netanjahu, Mubarak ihre Unterstützung an, da sein Fall eine Situation der großen Instabilität eröffnen würde, die das Kräfteverhältnis der Region entscheidend ändern könnte.
Aber vor allem würde eine Revolution in Ägypten ein Beispiel für die arabischen und muslimischen Völker sein, sich gegen ihren eigenen pro-imperialistischen und diktatorischen Regierungen zu erheben, was enorme Folgen für den internationalen Klassenkampf haben würde, da es eine revolutionäre Antwort der Ausgebeuteten und Unterdrückten auf die kapitalistische Krise und imperialistische Kontrolle darstellen würde.
Ein revolutionäres Programm
Die Mobilisierungen in Tunesien, die im Sturz des Diktators Ben Alis endeten, waren ein Katalysator des revolutionären Prozesses, der in Ägypten explodierte und die tiefen Sehnsüchte der Massen auf die Tagesordnung setzte - gegen Armut, Arbeitslosigkeit, die obszöne soziale Ungleichheit und Mubaraks diktatorisches und pro-imperialistisches Regime zu beenden, das seit dreißig Jahren mit eiserner Faust die Stabilität gesichert hat, die für kapitalistische Geschäfte, Privatisierungen und neoliberale Politik nötig ist, mit der Kollaboration einer unterstützenden Gewerkschaftsbürokratie und eines starken Repressionsapparates.
Infolge Jahrzehnten der Unterdrückung und der Ausbeutung beträgt ein durchschnittlicher Lohn eines ägyptischen Arbeiters etwa 75 $ pro Monat, und die Rate der Arbeitslosigkeit erhebt sich auf fast 24 %, obwohl offizielle Statistiken von 12% sprechen. Diese Bedingungen der Mittellosigkeit, die von mindestens 40 % der Bevölkerung bei mehr als 80 Millionen Menschen zu ertragen sind, die von kaum zwei Dollar pro Tag leben. In den überfüllten Vorstädten Kairos und anderen Großstädten des Landes haben sich mit der internationalen Wirtschaftskrise die Lebensbedingungen noch verschlechtert, der Preis von Grundnahrungsmitteln ist in den Himmel wachsen.
Der revolutionäre Prozess, der in Ägypten begonnen hat, ist jedoch nicht aus dem ’Nichts’ entstanden; ihm sind Jahre des Widerstands von ArbeiterInnen, besonders der TextilarbeiterInnen vorangegangen, die zwischen 2006 und 2008 große Streiks mit Fabrikbesetzungen in der Industriestadt von Mahalla (im nördlichen Ägypten) führten.
Das erklärt, warum die ägyptischen ArbeiterInnen jetzt eine wichtige Kraft in der Bewegung des Kampfs gegen das Mubarak-Regime zusammen mit arbeitslosen Jugendlichen vom gebildeten Mittelstand sind, die keine Arbeit finden können, neben der armen Bevölkerung der Städte. Trotz ihrer Führung, die an das Regime gebunden ist, trafen mehrere Gewerkschaften und Organisationen in der Koalition des 6. Aprils zusammen (der im Prozess des Kampfs 2008 entstand) und haben zum Generalstreik aufgerufen, was mit dem sogenannten ’Marsch der Millionen’ am 1. Februar zusammenfiel und auch dazu führte, dass sich einige außerhalb des offiziellen Gewerkschaftshauptquartiers organisierten.
Aber trotz der Kraft und Stärke der Mobilisierungen, ist der revolutionäre Prozess noch in einem anfänglichen Stadium: Mubarak bleibt noch an der Macht, und die Armee, die Hauptsäule des Regimes und des kapitalistischen Staates, ist noch intakt. Es ist notwendig, dass der Kampf zu einem politischen Generalstreik bis zu Mubaraks Sturz vorankommt.
Gegen die Angriffe durch irreguläre bewaffnete Banden der Polizei und
vielleicht auch der Armee, sind bereits einige Komitees zur Selbstverteidigung der Demonstranten gebildet worden; es ist notwendig, diese Selbstverteidigung von ArbeiterInnen und des Volkes auszuweiten, um die Armee und die repressiven Kräfte zu spalten.
Keine der strukturellen Forderungen der Bewegung der Massen wird durch in einer Antwort von jeglicher Regierung des ägyptischen Bürgertums zu finden sein, die das Mubarak-Regime ersetzt. El Baradei, der als eine Alternative präsentiert wird, ist eine der Varianten, die der Imperialismus als eine Notlösung manipuliert, und die Moslembrüder sind eine Organisation, die die feststehende Gesellschaftsordnung verteidigt und in ihren Reihen Mitglieder des lokalen Bürgertums hat.
Vielmehr ist es wichtig, dass die Arbeiterklasse zusammen mit den subalternen Klassen und der Jugend Selbstverteidigungsorgane aufstellen und ein revolutionäres Programm erheben, dass die Falle eines angeblichen Ìbergangs zur Demokratie bekämpft, die letztendlich die Interessen der ägyptischen Bourgeoisie und die der Imperialisten wahren soll. Daher ist heute der einzig wirkliche demokratische Ausweg im Ruf nach einer revolutionären verfassungsgebenden Versammlung zu finden, auf den Ruinen des aktuellen Regimes. Diese würde die Erfahrungen der Massen und den revolutionären Prozess beschleunigen und wäre ein Anstoß um für eine Regierung der Arbeiterklasse und Armen zu kämpfen, die sich auf Organe der Arbeiterdemokratie stützt und die Kapitalisten und Imperialisten enteignet – ein erster Schritt für eine sozialistische Revolution in der arabischen Welt.
Ìbersetzung: Systemcrash