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Erneuerung von oben

14/11/2014

Erneuerung von oben

// Wie viel „Erneuerung“ steckte in der Hannoveraner Streikkonferenz? //

Am 3. Oktober fanden die zentralen Feierlichkeiten zur deutschen Wiedervereinigung in Hannover statt. Merkel, Gauck und Co. feierten den Siegeszug des deutschen Kapitals gegen die Errungenschaften der ArbeiterInnenbewegung. Dass unsere Klasse sich von der Epoche der bürgerlichen Restauration erholen wird und die besten Traditionen ihres Kampfes erneuern wird, ist sicher. In wie weit die Konferenz „Erneuerung durch Streik II“, die vom 2.-4. Oktober ebenfalls in Hannover stattfand, ein großer Schritt in dieser Richtung war, steht auf einem anderen Blatt.

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Die Rosa-Luxemburg-Stiftung, der ver.di Bezirk Hannover/Leine-Weser und das ver.di Bildungswerk Hannover waren die GastgeberInnen der Konferenz. Die Vorgängerkonferenz Anfang 2013 hatte in Stuttgart als Kooperation von RLS und ver.di Stuttgart stattgefunden. Die politische Organisation lag allerdings auch dieses Mal maßgeblich in der Hand des post-trotzkistischen Netzwerks Marx21. Diese Gruppe ist eine der konsequentesten Ausdrücke des Phänomens der politischen Anpassung revolutionärer Organisationen an den Reformismus. Dazu gehört, dass die sich als LeninistInnen verstehenden GenossInnen lieber von „sozialer Transformation“ denn von sozialistischer Revolution reden und in der Linkspartei Mandate und Positionen im Apparat bekommen, vor allem bei Linke.SDS und der RLS. Von diesem Standort aus versucht Marx21 nun (und das kann man den GenossInnen immerhin zugute halten) auf die ArbeiterInnenbewegung Einfluss zu nehmen.

So entsprachen soziale Struktur und Inhalte der Konferenz auch weitgehend der Ausrichtung von Marx21. Unter den über 600 TeilnehmerInnen waren neben AkademikerInnen vor allem linke Teile der unteren und mittleren Gewerkschaftsbürokratie. Doch neben AktivistInnen von Gruppen der gewerkschaftlichen und radikalen Linken waren eben auch einige kämpferische ArbeiterInnen da. Dies machte die Konferenz zu einer Gelegenheit der Vernetzung, die es sonst selten gibt. So konnten VertreterInnen des Kampfes bei Amazon überregional zusammenkommen. Auch wichtige Schritte zu einer bundesweiten Solidaritätsstruktur für diese zentrale Klassenauseinandersetzung in Deutschland wurden gemacht. Weitere Kämpfe wurden bekannter gemacht, wie der für eine Personalbemessung beim Berliner Uniklinikum Charité oder die anstehenden Tarifrunden bei Einzelhandel und ErzieherInnen.

Einige Beschlüsse

Außerordentlich wichtig war die Beschäftigung mit der Frage der geflüchteten KollegInnen. Unter dem Eindruck der gewaltsamen Räumung von geflüchteten KollegInnen aus dem Berliner Gewerkschaftshaus wenige Stunden vor Konferenzbeginn, war diese Frage auf das Konferenzpodium gekommen. Geflüchtete sudanische KollegInnen vom Protestcamp in Hannover, Asuko Udo (Mitglied von „Lampedusa in Hamburg“ und ver.di) und Peter Bremme (Leiter Fachbereich 13, ver.di Hamburg) kamen zu Wort und die Solidarität wurde greifbar. Die vorgestellte eigens verfasste Erklärung hätte man leicht sofort als Resolution beschließen können. Der Versuch, die Erklärung zum Konferenzabschluss zu machen, wurde dann aber aus angeblichen Zeitgründen abgeblockt.

Eine Resolution gegen die Einschränkung des Streikrechts dagegen wurde schnell und einstimmig beschlossen. Dies bedeutet einen Schritt voran im Vergleich zur Stuttgarter Konferenz, wo gemeinsame Beschlüsse als unmöglich deklariert wurden. Kaum eine Rolle mehr spielte in Hannover jedoch die Diskussion über „Partizipation“ der Streikenden an den Entscheidungen des Streiks, die in Stuttgart eine Kernfrage war. Diese Diskussion birgt Sprengkraft in sich für die Illusion der trauten linken Einheit, inklusive der linken Gewerkschaftsbürokratie. Diese scheinbare Einheit wurde professionell inszeniert. Nutzbar war die Streikkonferenz dennoch.

Welche Perspektiven?

Wir müssen die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen der aktuellen „Erneuerung“ in den Gewerkschaften genau einschätzen. Die Konferenz in Hannover hat gezeigt, dass sich langsam ein linker Flügel im Gewerkschaftsapparat konsolidiert, vor allem innerhalb von ver.di. Das hat verschiedene Gründe, wie die stärkeren Tendenzen zu Arbeitskämpfen, die in den letzten Jahren gerade prekäre Dienstleistungsbereiche erfasst haben. Diese neue Generation von größtenteils unteren und mittleren GewerkschaftsfunktionärInnen steht auch selbst unter einem materiellen Druck, den eine kämpferischere Basis stärker nutzen kann.

Insofern ist diese Entwicklung ein Zeichen für größere Auseinandersetzungen, auf die kämpferische ArbeiterInnen und RevolutionärInnen sich vorbereiten müssen. Doch wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass kämpferische linke BürokratInnen nicht mindestens den selben materiellen Druck von oben erfahren. Gewerkschaften stehen bei schärfer werdenden Klassenauseinandersetzungen entweder auf der Seite des Kapitals oder des Proletariats. Daran ändern auch kämpferische FunktionärInnen nichts, solange ihnen keine klassenkämpferische und antibürokratische Basis entgegensteht. Deshalb müssen RevolutionärInnen die aktuellen Entwicklungen in der deutschen Gewerkschaftslandschaft genau beobachten und für den Aufbau einer solchen Strömung nutzbar machen.

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